Sind Marken- /Produktnamen ein Teil der Unternehmensidentität und deswegen bei der Übersetzung unantastbar? Oder erreichen Produktnamen die Zielgruppe viel effizienter, wenn sie vorab mittels Transkreation in die Zielsprache übertragen wurden?

Die Antwort scheint offensichtlich, aber trotzdem erleben wir in der Praxis immer wieder, dass Unternehmen vor der Übersetzung ihres Namens oder ihrer Produkte, z.B. aus Gründen der globalen Homogenität, zurückschrecken.

Am Anfang war das Wort.

HARIBO, weltbekannter Süßwarenhersteller aus Deutschland, hat in China drei neue Produkte mit expliziten chinesischen Bezeichnungen eingeführt.
An sich nichts Neues dabei. Immerhin wurde der Name des im Jahr 1920 von Hans Riegel gegründeten Unternehmens längst wie folgt ins Chinesische übersetzt:
哈瑞宝 [hā ruì bǎo].

Die drei Zeichen besitzen als Kombination einen ähnlichen Klang wie die einzelnen Silben im Deutschen und bedeuten als einzelne Zeichen jeweils „aha! / glücksverheißende / Schätze“. Besser kann man es aus dem deutschen Ausgangstext „HAns RIegel BOnn“ kaum übersetzen.

Seitdem HARIBO 2013 in Shanghai das erste Office eröffnet hat, genießen die bunten Gummibärchen in China große Popularität. Mit zunehmender Fokussierung auf den lukrativen chinesischen Markt erweitert das Unternehmen natürlich sein Produktportfolio weiterhin dafür. HARIBO hat schon früh erkannt, dass kulturell adaptierte Übersetzungen der beste und erfolgreichste Weg sind, die chinesischen Kinder (Und Erwachsene ebenso!) anzusprechen.

In einem Land wie China, dessen Schriftbild von Schriftzeichen und nicht von Buchstaben geprägt ist, hat HARIBO von Anfang an verstanden, dass man im Konsumgüterbereich ohne chinesische Unternehmens- und Produktnamen kaum eine Chance hat, sich zu positionieren. Dabei hat auch HARIBO sicherlich einen Lernprozess durchlaufen. Gleichwohl er seine Produktnamen von Anfang an ins Chinesische übersetzen ließ, waren die ersten Übersetzungen z. B. für „Goldbären“ und „Happy Cola“ wenig inspiriert, sondern eher ausgangsgetreu und ohne Risikobereitschaft. Diese Vorgehensweise mutet an wie die eines guten Schülers, der versucht hat, seine Hausaufgaben ordentlich zu machen. Bestenfalls konnte man aber in den Wortkreationen die Bodenständigkeit des Herkunftslandes nachvollziehen.

Anders als Deutschland ist China ein übermedialisiertes Land. Konsumgüter mit sachlichen, bodenständigen Namen geraten in Konkurrenz zu den einheimischen Produkten mit ihren blumigen Namenskreationen. Eine Beeinträchtigung des Werbeeffekts ist in jedem Fall zu registrieren, gleichwohl die Verkaufszahlen nach wie vor stimmen mögen.
Dies hat HARIBO bei der neuen Namenssuche für die drei neuen Geschmackssorten, „Pfirsich“, „Supa Mix“ und „Berries“ offensichtlich verstanden und berücksichtigt.

Für die Suche nach geeigneten chinesischen Bezeichnungen wurden Werbeexperten von Labbrand ins Boot geholt, um ihrem Ziel näher zu kommen, die Produktnamen nicht einfach nur zu übersetzen, sondern vor allem an die kulturellen Gepflogenheiten des Landes und in diesem Fall auch besonders an die Konsumentengruppe anzupassen.

„Pfirsich“

Übersetzung: 萌桃仔
Rückübersetzung: niedlicher/ Pfirsich-/ Junge

Durch die Personifikation (Vermenschlichung) des Produktnamens, bei dem auch das einst aus der Manga-Kultur stammende Modewort „萌 [méng]“ verwendet wurde, wird der Abstand zwischen dem deutschen Produkt und der Zielgruppe nachdrücklich verkürzt.

„Supa Mix“

Übersetzung: 趣缤纷
Rückübersetzung: lustige / farbenfrohe / Vielfalt

Ebenso wie im originalen Namensteil „Mix“ wird hier die „Vielfalt“ in den Vordergrund gestellt und durch die Attribute „lustig“ und „farbenfroh“ noch näher spezifiziert. Der deutsche Begriff „Supa“ wurde somit zielgruppengemäß übertragen.

„Berries“

Übersetzung: 甜莓狂想
Rückübersetzung: süße / Beeren / wilde / Fantasie

Ähnlich wie bei den anderen beiden Beispielen enthält die chinesische Variante viel mehr Informationen als der originale deutsche Name. Dank der Kompaktheit der chinesischen Sprache wirkt die 4-silbige Bezeichnung trotzdem nicht zu lang oder gar redundant.

Fazit:
Die unter dem Konzept „Transkreation“ subsumierte Strategie soll dafür sorgen, dass Inhalte die größtmögliche Wirkung bei der Zielgruppe erlangen. Das hier aufgeführte Beispiel soll zeigen, wie wichtig es ist, insbesondere für den chinesischen Markt, Unternehmens- und Produktnamen an die kulturellen Eigenheiten nicht nur des Landes, sondern vor allem auch an die spezifische Zielgruppe anzupassen. Damit sollen sie nicht nur die kognitive Ebene, sondern auch die emotionale/intuitive Ebene erreichen.

HARIBO ist ein sehr gelungenes Beispiel für den chinesischen Markt. Der Firmenname ist nicht nur onomatopoetisch nah am Original, durch die Auswahl der Schriftzeichen und deren Bedeutung gelingt es weiterhin, der Marke eine positive Konnotation zu verleihen, die sie im Deutschen nicht hat. Die Auswahl der Produktnamen ruft beim Zielpublikum in China eindeutig positive Gefühle hervor.

Durch eine kohärente auf den Zielmarkt abgestimmte Marketingstrategie ist es möglich, eine Marke nachhaltig zu etablieren. Dies gilt umso mehr für ein Land, dessen Traditionen und Gewohnheiten, aber auch deren neueste Entwicklungen sich in vielen Punkten deutlich vom Herkunftsland des Unternehmens bzw.Produktes (hier: HARIBO – Deutschland) unterscheiden.

Gleichwohl dies zunächst einleuchtet und simpel erscheint, wird es in der Praxis jedoch häufig gar nicht oder nur halbherzig umgesetzt. Denn was hier zunächst sehr einfach klingt, ist in der Umsetzung durchaus anspruchsvoll. So muss jedes kreative Briefing, welches für den heimischen Markt erstellt wurde, für jeden Zielmarkt neu entwickelt und adaptiert werden. Daran ist eine Vielzahl von Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen (Marketingmitarbeiter, Autoren, Werbeagenturen, Transkreation-Übersetzer, Länder-Reviewer u.v.m.) beteiligt, für die es einen effektiven Workflow zu koordinieren gilt.

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